17.05.2013 Santiago

Ich habe heute keine Eile, aber ich kann auch nicht lange schlafen. Also sitze ich im ersten Bus nach Santiago und schlendere erneut durch die Kathedrale. Es sind noch ganz wenige Menschen hier, so dass ich mir jeden Winkel ganz genau und in aller Ruhe betrachten und den Jakob in aller Ruhe umarmen kann. Und ich genieße diese noch so stille und ruhige Zeit.

Dann schlendere ich durch die Stadt und gehe den ankommenden Pilgern entgegen. Mal gucken, wer so alles ankommt. Heute müssten ja … Da kommt mir der Herr entgegen, der gestern auf dem Vorplatz neben Roland stand und mit einer roten Rose in der Hand auf sein angetrautes Eheweib wartete. Ich fand das so lieb! Jetzt ist er ganz aufgeregt, begrüßt mich kurz und meint dann nur, dass seine Frau da oben käme, eine in grüner Jacke und er müsste sich beeilen. Ich verstehe das alles nicht so genau, sehe dann drei Damen in grün und spreche sie an: „Ist eine von Ihnen die Dame in Grün deren …“ Mehr kann ich nicht sagen (Heideröslein, dem heiligen Jakob sei es getrommelt und gepfiffen, denn die weiß da ja noch gar nicht, dass ihr Mann da unten seit gestern auf sie wartet und ich hätte mit meiner vorlauten Klappe die ganze Überraschung vermasselt! Aber stellt euch das mal vor: Der wartet seit gestern mit einem Röslein in der Hand. Ist das nicht lieb!?!), weil ich da direkt in Taylors liebes Gesicht gucke. Taylor, der Mann meiner ersten Nacht in Burgos, den ich schon seit Tagen nicht mehr gesehen habe. Taylor, der Erste, den ich aus meinem Laufgrüppchen (außer Achim in Unterhosen) wiedersehe. Mir bleibt (zum Glück rechtzeitig) jedes weitere Wort im Halse stecken und wir umarmen uns nur noch ganz fest. Es ist sooo schön!

Im Laufe des Tages treffe ich alle wieder, die mir diesen Camino so wunderbar gemacht haben: Melanie, Jasmin, Sofia, Mia, Rea, Markus, der Reiner heißt, Martina, Stefan, Dennis, den Holländer, Roland … alle eben. Am Nachmittag verbringen wir Stunden in einem Restaurant, essen und reden und reden und reden. Abends besuchen wir gemeinsam die Abendmesse mit fliegendem Kessel. Kinders, das hätte ich nicht machen sollen, denn direkt danach muss ich mich verabschieden, um noch rechtzeitig in die Herberge zu kommen. Und mein Zeitdruck ist gut, denn so brauche ich nicht mehr viel zu sagen, sondern drücke jeden noch einmal ganz feste und verschwinde, so schnell ich kann (was dann doch so schnell ist, dass ich meinen Bus verpasse und erst den eine halbe Stunde später kriege).

Tja, das war’s dann also. Das war mein Camino für dieses Jahr, mein Camino des Regenponchos, mein Camino des Frierens, mein Camino der ganz vielen Menschen (ich habe nie zuvor so viele Menschen auf dem Weg kennengelernt, wie in diesem Jahr). Das war mein magischer Camino. Was mir in diesen drei Wochen alles an Wunderbarem passiert ist, das ist so unglaublich! So viele Menschen haben mir so großartige Momente geschenkt! So viele Menschen haben ein Stück von sich mit mir geteilt, haben mich anteilnehmen lassen an ihrem Leben, ihren Sorgen, ihrem Trauer und ihrer Fröhlichkeit, haben sich selbst mit mir geteilt. So viele Menschen haben Anteil an mir genommen, haben mich begleitet, eine ist mir sogar hinterher gereist und drei Tage hinterher gelaufen! Das war der Hammer! So viele Menschen haben mir einen Teil von sich geschenkt, waren für mich da, haben mich in den Arm genommen und mir den Regenschirm getragen, haben mit mir geschwiegen, wenn Worte unpassend gewesen wären, haben mit mir gesungen oder meinen Gesang ertragen. Was ich aus diesem Camino mit nach Hause nehme ist so viel, so viel Wärme, so viel …

Ich weiß, dass einige meiner „Blase“ (;)) diesen Blog lesen werden, nicht alle, leider (es sei denn, ich kriege ihn ins Koreanische, Englische, Holländische, Belgische, Dänische und Schwedische übersetzt), aber doch einige und bei diesen Einigen möchte ich mich noch einmal ganz feste und ganz dolle und ganz lieb bedanken. Was ihr für mich getan habt und geworden seid, kann ich euch gar nicht sagen, brauche ich auch nicht zu sagen, denn ich weiß, dass ihr das auch ohne schnöde Worte wisst.

 

Es war mein magischer Camino und ihr seid schuld daran!