07.05.2013 Foncebadon

Ich hatte die ruhigeste und bisher schlafreichste Nacht auf dem Camino. Mit nur drei Mitschlaefern ist das doch ein bisschen viel angenehmer, als in einem grossen Schlafsaal. Ich bin die letzte, die die Augen oeffnet und geniesse es, ganz in Ruhe und mit Licht meine Sachen zu packen.

 

Dann kommt das, wovor ich schon die ganzen letzten Tage ein bisschen Angst hatte: Ich muss mich von Silke verabschieden, die heute den Bus wieder nach Hause nimmt. Jetzt bin ich ganz alleine. Die ganze Zeit habe ich gesagt, dass ich das bestimmt auch wieder geniessen werde, aber ehrlich gesagt ist mir jetzt gerade so gar nicht danach.

 

Und darum winke ich dir hier noch einmal ganz lieb durch das Internet. Dass du das gemacht hast, dass du mit dem Bus nach Burgos gefahren und mir drei Tage hinterhergerannt bist, um diese wenigen und so wertvollen Tage mit mir zu gehen, dass du das alles gemacht hast ist einfach der Hammer!

Ich mag keine langen Abschiede und verschwinde so schnell ich kann. Aber fragt mich nicht, wie betroeppelt ich mich fuehle.

 

Entsprechend schleiche ich so ein bisschen still und doof vor mich hin. Naja gut, dass muss ja nun auch mal erlaubt sein.

An der Ermita Ecco Homo, einer kleinen Kirche ziemlich bald hinter Astorga, komme ich endlich dazu, fuer Marius eine Geburtstagskerze anzuzuenden. Es ist zwar schon vier Tage her, aber vorher habe ich einfach keine geoeffnete Kirche gefunden. Aber dieses kleine Kirchlein ist wirklich wunderschoen und man sollte hier auf alle Faelle kurz anhalten!

Kurz vor dem uebernaechsten Ort treffe ich den hollaendischen Fahrradpilger wieder und wir trinken in der Bar der naechsten Herberge (in der haben wir letztes Mal uebernachtet) eine Tasse Kaffee miteinander.

 

Irgendwie habe ich gestern viel zu viel eingekauft. Aber das war auch tueckisch: Ein Supermarkt mit Hinterherziehwaegelchen, da muss man einfach ganz viel hineinpacken! Nun trage ich schon den ganzen Tag 4 Joghurts mit mir herum. So ein Kaese! Ich esse einen und verschenke die anderen an die Pilger am Nebentisch, die sich richtig darueber freuen. Aber ich freue mich auch, denn nun ist mein Rucksack wieder um ein paar Gramm leichter.

Der Kaffee hat meine Fuesse nun doch ein bisschen beschwingter gemacht und mich auch von innen heraus gewaermt. Weiter geht es trotz Wolken und so ein bisschen unsicherem Wetter in Laufhosen und T-shirt. Wenn es anfaengt zu regnen, bleiben die anderen Klamotten zumindest trocken.

In El Ganso treffe ich Barbara wieder und gehe mit ihr bis Rabanal. So mit froehlichem Gequassel und Getratsche vergeht die Zeit viel schneller als allein. Und mir tut das so gut!

 

Sie bleibt hier in einer Herberge, aber mir ist das eigentlich noch zu frueh. Wenn man so zeitig in einer Herberge bleibt, ist der Nachmittag soooo lang!

 

Die Herbergsmutter ist so nett und ruft fuer mich in einer Herberge in Foncebadon an, um mir ein Bett zu reservieren. So aufs Geradewohl will ich nun doch nicht weiterlaufen, denn wenn ich dort kein Bett mehr kriege, muss ich in Manjarin uebernachten und das moechte ich nun nicht wirklich.

 

Ich trinke noch eine Tasse Kaffee mit Barabara und verabschiede mich dann auch von ihr. Wenn wir uns wiedersehen, dann wohl fruehestens in Santiago.

Auf dem Weg nach Foncebadon faengt es dann doch noch an zu regnen. Aber zwei Damen, die sich unterwegs auch gerade einmuemmeln, sind so nett und helfen mir alten Frau in den Poncho. Und so wackele ich mal wieder als Rotkaeppchen durch die Gegend.

 

An der Natur um mich herum kann man erkennen, dass ich doch um einiges frueher unterwegs bin als beim letzten Mal. Es blueht zwar schon einiges, aber der Ginster ist groesstenteils noch ungelb und die Steineichen unbeblaettert. Aber schoen ist es trotzdem.

Bei dem Wetter faellt Pausemachen mal eben zwischendurch leider wegen Nassheit aus, also wackele ich so vor mich hin und bin froh, als ich endlich Foncebadon sehe. Ganz entspannt betrete ich die Herberge ... und bringe den armen jungen Mann an der Rezeption ins Schwitzen. Denn er hat mein Bett, das er extra fuer mich unten reserviert hat, inzwischen an einen Andre verkauft, weil er dachte, dass ER derjenige war, fuer den reserviert wurde. Jetzt hat er nur noch eins oben aber mit Wand auf der einen Seite. Ich muss doch mal lachen, weil ihm das so unangenehm ist. Hallo! Ich habe vorgestern in schwindelnden Hoehen und mit links und rechts nix als Luft die Nacht verbracht (auch wenn ich jetzt hier nicht wirklich von schlafen schreiben moechte), da ist ein bisschen weiter oben und Wand auf einer Seite ja schon ein Himmelbett!

Und was noch viel besser ist: Es ist kuschelig warm und es gibt Internet! Heideroeslein, das ist ja Himmel auf Erden! Weil warm hatten wir auch an unseren klirrekalten Tagen am Anfang so ganz und gar nicht. Also bitte! Ich sitze hier ohne Decke und Socken und fuehle mich wohlig!

 

Oh, apropos wohlig: Kurz nach mir kommt noch eine Dame hier an, die leider nicht reserviert hat und ihr Glueck schon in mindestens einer der anderen Herbergen probiert hat. Sie ist jetzt ein bisschen ungehalten, weil die Betten vorher reserviert werden. Ob das denn jetzt ueblich sei?

 

Also so ein bisschen finde ich das mit den Reservierungen auch bloed. Ich mache es inzwischen aber auch, wenn ich mittags irgendwo ankomme und eigentlich noch weitergehen koennte, mich aber nur traue, wenn ich weiss, dass ich irgendwo einen Unterschlupf finde. Gerade auf diesem Streckenabschnitt war mir das ganz wichtig. Aber es ist nunmal inzwischen wohl wirklich Gang und Gaebe, dass Betten vorher reserviert werden. Und weil ich ja nun nicht erwarten kann, dass alle anderen damit aufhoeren, muss ich eben damit anfangen.

 

Uebrigens haette ich auch ohne Reservierung (fuer mich zum Glueck, fuer sie leider) das letzte Bett bekommen, denn nach mir ist completo.

Nach dem Duschen und Waschen schlendere ich noch ein bisschen durch das Dorf. Es ist ja wirklich noch sehr zerfallen. Zwischen den Ruinen stehen nur diese Herbergen und Bars und eine Tienda, die aber erst morgen eroeffnet. Ich gucke mich ganz genau um, aber ich bin hier mutterseelenallein. Da ist keiner, mit dem ich die letzten Tage verbracht habe. Nur Fremde. Aehm. Na gut. Ich rede mir ein, dass mir das auch mal ganz gut tut, aber ehrlich gesagt kann ich da reden, was ich will, ich kann mich nicht davon ueberzeugen. Ich fuehle mich ziemlich einsam und danke dem heiligen Jakobchen, dass ich wenigstens hier sitzen und tippseln kann.

Oh, und meine Erkenntnis des Tages: Pilgern macht sehr grosszuegig, denn was andere essen, braucht man selbst nicht mehr zu tragen.