Los Arcos

Die spinnen, die Pilger. Um 4.30 Uhr geht das Gewusel los. Ja haben die denn alle ne Vollmeise? Hallo! Es ist noch dunkel! Da sieht man ja seine eigenen Fuesse nicht!

Nein, dazu habe ich keine Lust. Ich setze mich derweil lieber an den Computer und brummel vor mich hin. So.

Als ich um 6.10 Uhr anfangen will, meine Sachen zu packen, und dazu das Licht anschalte, werde ich auch noch angeknuttert: Es gaebe ja auch Leute, die noch schlafen wollten. Hallo! Wir sind hier doch nicht auf Wellnessurlaub! Wir sind auf dem Camino, d. h. schlafen von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Und ueberhaupt: Wer schlaeft denn hier noch? Das geht bei dem Laerm doch gar nicht.

Meine Lieben, wenn man etwas nicht machen sollte, dann ist das mit mir streiten, bevor ich meine erste Tasse Kaffee hatte. Und die hatte ich noch nicht, weil dieser daemliche Automat meinen Becher verknuddelt hat!

Uebrigens waren es hier 16 Stockbetten, also 32 Leute in einem Raum. Hihihi, wer da noch freiwillig schlaeft, ist derart kerngesund, der schlaeft auch, wenn Halogenscheinwerfer direkt in sein Gesicht brennen!

Ich packe und watschele los ... genau 100 m weit. Da wirft sich mir totesmutig eine Tankstelle in den Weg, in der ich meinen Kaffee und ein leckeres Schkocroissant kriege.

Als ich weitergehe, faengt es prompt an zu troepfeln. Na klasse! Also noch ein Halt an einer Bank, eine Zigarette, um mein Gemuet zu beruhigen, Cape drueber (das macht auch noch schoen warm) und weiter geht es. Haette ich gewusst, dass das fuer die naechsten 5 Stunden meine letzte Rast war, haette ich wahrscheinlich direkt einen Bus nach Bilbao zum Flughafen genommen. Gut, dass ich das da noch nicht wusste.

Natuerlich war ich am Weinbrunnen von Irache, natuerlich habe ich nichts getrunken, natuerlich habe ich mich fotografieren lassen (das dunkle Cape passt heute bestens zu meiner duesteren Stimmung), natuerlich ist diese Dusselziege auch gerade gekommen. Flucht!

Bis Villamayor de Monjardin geht es eigentlich noch ganz gut. Diese Strecke kam mir das letzte mal sooo lang vor. Da wusste ich noch nicht, was Laenge eigentlich heisst, aber das aendert sich jetzt. Ich habe mich so darauf gefreut, diese 12 km bis Los Arcos endlich gehen zu koennen. Das ist die Strecke, die uns vor drei Jahren geklaut wurde (die Herberge in Villamayor war voll und die Hospitalera so ein Herz, dass sie uns mit dem Auto nach Los Arcos brachte). Ja war ich denn bekloppt?! Es nieselt unaufhoerlich, es ist derart windig, dass ich mein Cape rundherum festknoten muss, damit es sich nicht verselbstaendigt. Es ist kalt. Es ist haesslich. Es ist ... eine endlose Strecke mit ... nix. Nix! Gar nix! Nix, wo man sich einen Moment vom Wind verstecken kann. Nix, wo es Kaffee gibt. Nix halt! Nix!

Ich habe die Ecken nicht gezaehlt, an denen ich dachte, dass von da ja jetzt etwas anderes als Felder zu sehen sein muesste. Ich habe nicht gezaehlt, wie oft ich enttaeuscht wurde, und ich habe nicht gezaehlt, wie oft ich lauthals das Wort mit Sch benutzte.

Es ist kurz nach 12.00 Uhr, als ich dann doch endlich wieder aus der Wildnis in die Zivilisation komme. Vor der Herberge steht eine lange Schlange: A la cola, Pilgerweib, stell dich an und hoffe, dass du noch ein Bett kriegst.

Und genau hier wandelt sich das Blatt: Ich kriege ein Bett, ich werde total lieb begruesst, ob es mir denn auch gut geht, ob alles in Ordnung ist, ich kriege meinen Rucksack zum Bett getragen, ich darf meine Waesche einfach nur abgeben und muss mich nicht darum kuemmern, dass sie gewaschen und getrocknert wird. Es ist so lieb. Und weil meine Augen wohl inzwischen wieder strahlen, krieg ich auch noch aus Draht ein kleines Maennchen gebogen und eine dicke Umarmung. Habe ich heute morgen noch nach Hause gewollt? Wer? Ich? Lach! So ein Quatsch! Es ist so schoen hier!

Und ich habe sooo viel Zeit und kann ausgiebig das tun, wonach ich mich heute morgen gesehnt habe: Ich liege faul in meinem Bett und strecke alle Viere von mir. In die Sonne kann ich mich ja nicht setzen, weil wo keine ist, kann man auch keine besetzen. Aber das macht fast gar nichts. Ich bin faul, ich bin zufrieden, mir ist nicht mehr kalt. Hier im Aufenthaltsraum flackert sogar ein munteres Feuerchen. Es ist soooo schoen!

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