Obanos

Gesternabend gab es noch ein Gewitter, aber heute sieht es soweit ganz gut aus - noch. Ernst und Doris, die Hospitaleros, versorgen uns noch ganz liebevoll und grosszuegig mit allem, was das Herz begehrt. Also, meine Lieben, diese Herberge hat ihren Ruf nicht ganz fuer aus der Luft gegriffen. Die beiden Freiwilligen, Ernst und Doris eben, sind zwar ein bisschen ... verpeilt, aber so lieb! Ich wuerde sie am liebsten mit nach Hause nehmen.

 

Aus Pamplona hinaus zu latschen, ist ja schon ein bisschen langweilig. Zumal es noch nicht einmal 8.oo Uhr ist. Hallo! Wer ist denn um diese Zeit am heiligen Samstag sonst schon wach? ...  ausser uns, die wir ja sooo heilig sind und uns auf dem Weg nach der himmlischen Glueckseligkeit befinden?

 

Bis Zariquiegui, das sich so auf halber Hoehe zum Kamm Perdon (da kommt irgendwo ein Haekchen hin, das ich genauso wenig finde, wie ae, ue, oe und ss) befindet, trulle ich so vor mich hin. Dann kommt eine kleine Tienda mit einem Kafeeautomaten und schon fliege ich, schwebe ich, bin ich ganz hin und weg!

Also, ich weiss nicht, ob der, der den Kaffee erfunden hat, sich auch eine Compostela erwandert hat, aber in den Himmel kommt DER auf alle Faelle!

 

So beschwingt und frisch verkoffeiniert haelt mich nichts mehr. Hinter einer kleinen Kirche erspaehe ich frisches Gruen, das halbwegs eben und unbelagert aussieht. Naja gut, ich stoere dann doch jemanden, der seinen Fruehstueckskaffe da gerade entsorgen will, aber ich bin ja hoeflich, gucke Loecher in die Luft und warte, bis er fertig ist. Aber dann: Ich zuecke mein Handy, lasse Mecanos Hijo de la Luna (nun guckt nicht schon wieder auf die Rechtschreibung!) erklingen und bewege mich im wohl vertrauten Dreivierteltakt, Basic, Waage, Knie hoch, Kopf runter ziehen, schlagen, treten - so, wie es sich nunmal auf einem so heiligen Weg gehoert! Nur Heinz fehlt mir und kriegt jetzt mal gerade ein Extrawinkerchen (und Hilde natuerlich auch!)

So, jetzt geht es mir gut, ich bin beschwingt, meine Fuesse sind wohl gelueftet und haben frisches Gras spueren duerfen, jetzt haelt uns nix mehr: Auf geht es zum Kamm Perdon!

Und das ist jetzt auch gar nicht mehr soo weit. Irgendwie hatte ich den Weg nach oben viel laenger in Erinnerung, aber da wusste ich auch noch nicht, dass man den Metall-Pilgerzug schon von unten sehen kann. So hat man doch ein Ziel vor Augen!

 

Bis ich oben ankomme, hat es sich leider rundherum fuerchterlich eingedustert und es klingen ab und an Geraeusche, die mag man im Urlaub nicht hoeren ... und schonmal gar nicht, wenn man ganz weit oben auf einem Berg steht und weit und breit nix ist, wo man mal eben zu noch einer Tasse Kaffee einkehren kann.

Folgerichtig faengt es genau dann an zu regnen, als ich mich auf den Weg nach unten mache. Wieso ich das trotzdem tue? Ja, meine Lieben, was sollte ich denn sonst tun? Da oben ausharren, bis mich der Blitz trifft? Hihi, hier hat es nix ausser den verrosteten Figuren und ganz vielen anderen Wanderen, die wie ich loswetzen, noch in der Hoffnung, das Wettrennen gegen die leuchtenden und lauthals brummelnden Wolken zu gewinnen.

So ein Quatsch, als ob wir auch nur den Schimmer einer Chance gehabt haetten! Ich bin noch keine 10 m weit, da faengt es an zu regnen. Muss ich jetzt noch sagen, dass das Wasser den Wanderweg, auf dem ich watschel, total klasse findet? Zwei Minuten spaeter bin ich mir nicht wirklich sicher, ob der Donner erst nach dem Blitz kam. Noch zwei Minuten spaeter Graupelt es aus vollen Kanonen. Zwischendurch nehme ich mir rutschiger Weise eine kleine Auszeit auf dem Po, aber das ist nicht schlimm. Passiert halt und waere kein Drama, wenn ich wieder auf die Fuesse kaeme. Aber irgendwie hindert mich mein Rucksack daran.

Oh, dafuer ist diese Welt nun um ein Stueck Liedgut reicher, frei nach Drafi Deutscher:

Blitze, Sturm und Hagelschlag,

das ist Wetter, wie ich es mag,

bis auf die Knochen bin ich jetzt nass,

ach, ist das ein Spass!

Schrumm, schrumm.

(Wenn ich mir das lange genug vorsinge, glaube ich vielleicht sogar irgendwann daran)

 

Just in time als ich unten bin, legt sich das Gewitter ein bisschen. In der Herberge in Uterga, in der wir vor drei Jahren auch uebernachtet haben, gibt es erst einmal eine Tassee Kaffee und eine Zigarette, dann noch eine trockene Hose und trockene Socken, schon geht es weiter. Nein, ich bleibe nicht, denn die Sonne scheint und es ist noch viel zu frueh.

 

Also trubsel ich noch bis Obanos vor mich hin, aber dann mag ich wirklich nicht mehr. Es regnet immer wieder, es ist kalt, ich habe fertig! Bis Puente la Reina ist es nur noch ein Katzensprung, aber ich bin ja nunmal keine Katze. Ich bin ein altes, muedes, heimwehkrankes Pilgerweib, das eine Riesenkietze auf dem Buckel traegt. Und die Herberge wirft sich mir quasi totesmutig vor die Fuesse ... und mit ihr Heike mit ihrer hollaendischen Wandergruppe. Die sind so lieb und nehmen mich ganz lieb in ihre Runde auf. Wir verbringen fast den ganzen Rest des Tages miteinander und ich bin sooo dankbar, dass ich nicht alleine sein muss. Ronald guckt abends sogar noch Fussball mit mir - aber nicht mehr lange, denn um 10.00 Uhr ist Tuere zu und Schlafenzeit. Gute Nacht Heike, gute Nacht alle, und ganz vielen Dank, dass ihr heute fuer mich da wart.

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